Des Lasters neue Schuhe


Schon seit einiger Zeit träume ich von neuen Reifen für meinen Ural. Die russischen Originale haben sicher ihre Berechtigung für wegloses Gelände und zur vollen Ausnutzung der Geländetauglichkeit des Fahrzeuges. Meine vorwiegende Nutzung soll aber vornehmlich die Strasse sein, dennoch will ich auf der ersten nassen Wiese nicht mit dem Bergegurt winken müssen. So fällt die Entscheidung, keinen reinen Strassenreifen, keinen reinen Geländereifen zu fahren sondern einen Kompromiß zu wählen. Für mich ist dann noch die Bauart des Reifens von entscheidender Bedeutung: Die originalen 14.00-20 sind reine Gewebereifen ohne Stahlgürtel. Es ist eine Niederdruckbereifung, die eben laut Hersteller nur mit 3,2 Bar belastet werden sollen. Ich habe zwar immer 4 Bar gefahren, aber der Rollwiderstand ist recht hoch. Besonders nachteilig finde ich die Neigung der Reifen zu Standplatten, die zwar nach 15km Fahrt weg sind doch man wird zu Beginn jeder Fahrt doch gehörig durchgeschüttelt. Vorteil ist ganz klar die perfekte Harmonie mit der Reifenfüllanlage, denn nur mit Gewebereifen kann man den Vorteil der Druckregelung ausnutzen. Wenn man will.

Meine Wahl fällt auf den Dunlop SP Mil 14.00R20 weil ich ihn günstig angeboten bekam und im Schadenfalle auch leicht wieder Ersatz zu bekommen ist. Der Stahlgürtelreifen mit Mil-Profil kann mit bis zu 7 Bar befüllt werden. Hinsichtlich des Rollwiderstandes ist das eine ganz andere Hausnummer. Der Gummi ist härter und beim Absenken des Fahrzeuges nach der Radmontage zeigt sich der Erfolg: Der Reifen drückt sich etwa 1cm ein, dann ist der Wagenheber frei.

Die Montage stellt eine ganz andere Herausforderung dar: Wie bekommt man erstmal einen auf der Felge festgewachsenen Reifen runter? Ich erinnere mich an Lagerfeuergebabbel von wegen mit dem Laster drüberfahren, damit er ins Montagebett springt, etc. Also Jörgs W50 anschmeissen und rauf auf das Rad. Leider bewegt sich der Gummi keinen mm in Richtung Felgenmitte. Auch durch kleine Brems- und Wendemanöver auf dem Rad ist der Reifen nicht zum Runterspringen zu bewegen. Hmmmmm.

Was sagt denn die Bedienungsanleitung? Mit dem Montiereisen den Bordring mitsamt Reifen von der Schulter drücken, Schloßring entnehmen, dann Rad umdrehen und dasselbe nochmal - nur statt Schlossring dann gleich die Felge entnehmen. Gute Lachnummer. Ich beende das Experiment mit Montiereisen und Reifentreiber bevor entweder die Eisen oder einer meiner Schneidezähne brechen.

Es muß eine Presse her. Wühlen im privaten Eisenlager...einige Zeit und viele Späne später ist eine Presse fertig, die es mit einem hydraulischen Wagenheber möglich macht, den Reifen abzudrücken und ihn von der Felge zu nehmen. Etwas Vierkantrohr, zwei Gewindestangen M16, einige Muttern und Scheiben, eine alte W50 Feder und diverses Kleineisen werden zu einer funktionellen Einheit zusammengesetzt.

Es ist eine Wonne, wie der Reifenwulst mit Ächzen und Krachen gen Felgenmitte wandert. Die Presse wird in den Felgenlöchern fixiert und immer weitergesetzt. Wenn man einmal rundherum ist, dann ist der Reifen in der Montagenut und man kann gemäss der Bedienungsanleitung fortfahren. Nach einiger Übung brauche ich zum Demontieren eine Stunde und eine Flasche Wasser. Abends dann eine Voltaren forte und ein Licher Export damit ich ohne Schmerzen in Rücken und Händen einschlafen kann. Die Felgen werden mit der Flexdrahtbürste gereinigt, das Montieren der neuen Dunlop ist dann schnell erledigt, das flutscht alles ineinander. Bei der Demontage brechen einige Ventile heraus, aber neue Continental-Schläuche habe ich genug, nur der Anschluß für die Füllanlage muß wieder angepasst werden. Ich brauche eine Woche für sieben alte Reifen runter, und sieben neue Reifen drauf. Schlecker Schmierseife für 1,09 EUR eignet sich für eine reibungslose Montage übrigens perfekt.

Warnung: Das Montieren von mehrteiligen Felgen ist lebensgefährlich! Besonders beim Rad des Ural ist darauf zu achten daß man zuerst alles sauber wieder ineinander steckt, dann etwa 0,3-0,5 Bar Druck drauf gibt und dann mittels Montiereisen und Kunststoffhammer den Sicherungsring zwischen Felge und Bordring arbeitet. Erst wenn der Bordring satt und flächig am Sicherungsring anliegt und alles spaltenfrei sitzt darf man Druck drauf geben. Besonders wichtig hierbei ist ebenfalls die Lage des Bordringes zum Sicherungsring. Der Sicherungsring passt nur in einer Position: Offene Stelle am Radhahn. Die eingeschmiedete Nut am Sicherungsring muss in einer der beiden flachen Vertiefungen des Bordringes liegen und verhindert so ein Verdrehen des Rings.

Zeitenwechsel: Nach nunmehr 5 Jahren und fast 20.000km mit den Dunlop SP MIL wird es Zeit für abermals neue Füsse. Mit abnehmendem Profil fuhren sich die alten Reifen immer schlechter und da im März 2011 nun wieder die HU naht war das eine passende Gelegenheit. Ich habe mich für gebrauchte aber ungefahrene Reifen Dunlop SP921 entschieden. Also fahre ich mit meinem Kombi und einem geliehenen Anhänger zu Reifen Nattermann und hole die Objekte meiner Begierde.

Mittlerweile ist mein Ural in eine Halle eingezogen und das Montieren der neuen Reifen kann beginnnen. Meinen Satz Felgen, den ich noch auf Reserve liegen hatte war gerade vom Sandstrahlen und Lackieren zurückgekommen und los geht es. Ich muss staunen wir gut sich neu und professionell "gemachte" Felgen montieren lassen.

Die alte und erprobte Presse kommt wieder zum Einsatz. Denn: Weil ich keine Zeit und keine Lust hatte die letzten beiden Gummis wieder selbst von den Felgen zu ziehen habe ich sie schnell zum Reifendienst gebracht und mindestens drei mal drauf hingewiesen daß Schläuche und Ventileinlagen unbedingt heil bleiben müssen. Heute habe ich die Teile abgeholt. Und? Ratet was passiert war? Die haben beim Abmontieren bei einem Reifen den Ventilanschluß verknüllt und die Gummieinlage abgerissen. Das Demontieren hat 50 EUR (!) gekostet und im Anschluss für mich eine Stunde Arbeit den verknüllten Ventilanschluss wieder warm zu richten bis er wieder so war daß man ihn einbauen konnte. Da gibt man einmal was weg und schon hat man den Salat. Die nächsten beiden Reifen die ich mir als Reserve hinstellen will demontiere ich wieder selbst, auch wenn es 4 Stunden dauert.

Leider habe ich im Moment nicht genügend Felgeneinlagen zur Ventildurchführung und auch noch die falschen Schläuche. Die neuen Schläuche habe ich übers Internet von Privat gekauft. Schwere Ausführung mit Schneidring für Füllanlage. Scheint alles prima. Zuerst habe ich mich beim Zurechtlegen der Schläuche über das aussermittige Ventil gewundert, dann das zweite Wundern beim Einlegen der Schläuche in den Reifen. Er passt nicht, geht nicht rein und das Felgenband passt nicht in den Reifen. Dann habe ich auf den Schläuchen die Zahl 1200x500-508 entdeckt was in Zoll 18/70-20 bedeutet. Das ist die für Ural auch lieferbare Ballonbereifung. Ich sehe keine Chance das passend zu bekommen und musste mir dann in althergebrachter Manier den Anschluß des Schlauches für einen "normalen" Schlauch mit Gewindeanschluss passend machen. Das heißt unten ausbohren und eine Gewindehülse mit VG8 einlöten.


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